Dr. Ricarda Rolf ist Professorin für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht sowie Personalmanagement an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der TH Köln. Darüber hinaus amtiert Dr. Rolf als Vorstand der Kölner Forschungsstelle für Wirtschaftsmediation. Die Forschungsstelle befasst sich mit Wirtschaftsmediation als ernsthafte und effektive Alternative zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Dazu führte sie unlängst eine branchenübergreifende Befragung in Unternehmen und Organisationen zu einem neu entwickelten Streitkulturindex durch.
Welchen Stellenwert hat die Mediation im Rahmen des Lehrstuhls „Wirtschaftsrecht“?
Mediation und auch Konfliktmanagement haben in unserer Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. So biete ich beispielsweise das Seminar „Konfliktmanagement und Einführung in die Wirtschaftsmediation“ an. Zudem veranstalte ich gemeinsam mit einem Kollegen im Team-Teaching das Seminar „Konfliktlösungs- und Verhandlungstechniken“, das sehr gut angenommen wird. Alle diese Angebote sind derzeit noch freiwillig zu belegende Wahlfächer. Wir sind allerdings in Überlegungen, sie verpflichtend in die Lehrpläne aufzunehmen. Darüber hinaus ist fakultätsübergreifend geplant, ein gemeinsames Seminarformat zur Baumediation mit den Fakultäten für Architektur und Bauingenieurwesen zu veranstalten.
Sie sind Mitglied des Vorstands und Gründerin der „Kölner Forschungsstelle Wirtschaftsmediation“. Was steckt hinter der Gründung dieser Organisation und welche Schwerpunkte setzen Sie in der Forschung?
Die von mir mit vier Mediatorenkollegen 2010 gegründete Forschungsstelle hat den Zweck, Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement in Lehre und Forschung besser zu verankern und den Wissens- und Praxistransfer zwischen Unternehmen und Hochschule zu fördern. Die Forschungsstelle ist auf drei miteinander verzahnten Säulen aufgebaut: erstens Studium und Weiterbildung, zweitens Forschung und drittens Praxistransfer, der z.B. durch die sachverständige Begleitung von Mediationsverfahren und durch Kooperationen mit Unternehmen gestaltet wird. Unsere derzeitigen Forschungsschwerpunkte liegen im Konfliktmanagement zwischen und innerhalb von Unternehmen und Organisationen sowie der Unternehmensnachfolge. Ein weiterer Fokus liegt auf der interkulturellen Mediation – gerade auch im Hinblick auf die Flüchtlingsthematik. Im Augenblick organisieren wir eine entsprechende Fachtagung zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements von und mit Flüchtlingen angesichts der aktuell konfliktträchtigen Stimmungslagen und im Spannungsfeld politischer Akteure und Interessen. Weitere Themen- schwerpunkte sind die Mediation in Baukonflikten sowie die Fortentwicklung unserer 2015 erstmalig durchgeführten Erhebung zur Streitkultur.
Wie wichtig und zukunftsfähig ist aus Ihrer Sicht das Thema Mediation für unsere Gesellschaft?
Das Thema Mediation ist heute in Deutschland deutlich bekannter als noch vor zehn Jahren. Andere Länder fungieren da sicher noch als Vorreiter. So etwa die USA oder Großbritannien, wo Mediation nicht nur in der Familie sondern auch in wirtschaftlichen Kontexten erfolgreich angewendet wird. Als besonders förderlich haben sich hier Mediationsklauseln erwiesen, die in Verträgen dort noch deutlich stärker verankert sind und die Parteien verpflichten, zunächst eine Mediation zu versuchen, bevor sie vor Gericht gehen. Nichts desto trotz sehe ich die Zukunftsfähigkeit für die Mediation auch in Deutschland gegeben. Dabei ist zu beobachten, dass Mediation stärker im Zusammenspiel mit den anderen ADR-Verfahren (Alternative Dispute Resolution) betrachtet werden sollte. Den Spruch: „Wer als Werkzeug nur den Hammer kennt, für den ist jedes Problem ein Nagel“ finde ich als Plädoyer für Methodenvielfalt und Flexibilität bei der Konfliktbearbeitung sehr treffend. In diesem Zusammenhang bin ich der Meinung, dass es hilfreich wäre, wenn man verschiedene Konfliktlösungstechniken anbieten kann, wobei Mediation sicherlich eine sehr gute und erfolgreiche Methode ist.
Wie unterscheidet sich Mediation aus Ihrer Sicht von anderen Konfliktlösungsmethoden?
Die Mediation hat durch Prinzipien wie Freiwilligkeit, Allparteilichkeit und Vertraulichkeit einen anderen Fokus als die sonstigen förmlicheren Streitbeilegungsverfahren wie zum Beispiel ein Schiedsverfahren oder auch eine Schlichtung. Sie ist strukturiert, lässt den Parteien jedoch deutlich mehr Freiraum als – wie ich es als Juristin kenne – nur über den beantragten Streitgegenstand vor Gericht verhandeln zu dürfen. Das macht für mich den besonderen Charme der Mediation aus.
Was Mediation auch unterscheidet, ist die klare Zukunfts- und Kooperationsorientiertheit sowie die kreativen Möglichkeiten bei der Lösungs- und Ideenfindung. Das können andere Verfahren schon aufgrund ihrer Förmlichkeit nicht leisten.
Macht ein Mediationsgesetz aus Ihrer Sicht Sinn und wenn ja, wieso?
Ja, aus meiner Sicht macht das 2012 in Kraft getretene Mediationsgesetz Sinn. Es ist zum einen wichtig, dass hierdurch Mediation erstmals legal definiert wurde und das Zeugnisverweigerungsrecht für alle Mediatoren gilt und nicht – wie vorher – nur für Anwälte. Dies ist auch für Medianten ein wichtiges Signal. Das Gesetz hat sicher auch der Mediation insgesamt einen Schub gegeben und nicht nur – wie es einige kritische Stimmen z.B. in der FAZ gesehen haben – den Ausbildungsmarkt für Mediatoren unterstützt. Durch das Gesetz ist das Thema mehr in den Köpfen der Verbraucher und damit potentieller Medianten angekommen. Positiv ist auch, dass durch die bisher nur als Entwurf vorliegende Rechtsverordnung über die Aus- und Fortbildung zertifizierter Mediatoren des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) nun einheitliche und verbesserte Qualitätskriterien für Mediatoren geregelt sind – ähnlich wie bei Fachanwälten. Dies hat zum Beispiel der Coaching Markt noch nicht. Das ist ein Vorteil, der Mediation fördert.
Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach entscheidend, damit eine Mediation erfolgreich wird?
Mitentscheidend ist sicherlich, dass die Konfliktparteien sich trauen, sich auf das Verfahren wirklich einzulassen. Das ist nach meiner Erfahrung bei Hierarchieunterschieden – wenn man in innerbetrieblichen Kontexten mediiert – mitunter schwierig. Da hapert es manchmal an der Freiwilligkeit, wenn etwa Mitarbeiter von ihren Führungskräften quasi zu einer Mediation „verdonnert“ werden. Insofern ist das Gefühl, dass der Mediant sich öffnen und alles sagen kann, sicherlich ein wesentlicher Faktor. Wichtig ist auch, dass das Unternehmen selbst dahinter steht und ihre Führungskräfte nicht damit allein lässt, wenn sie an einer Mediation teilnehmen.
Gibt es besondere Erlebnisse aus Ihrer Praxis zum Thema Mediation?
Ja; es gibt einige beeindruckende Erlebnisse. Ich erinnere mich beispielsweise immer noch gerne daran, wie es in einem Teamkonflikt doch gelungen ist, mehrere Mitarbeiter, die schon innerlich gekündigt hatten, mit ihrem Vorgesetzen gemeinsam in Konfliktklärungs-Workshops mit anschließenden Einzelmediationen zu begleiten. Dies führte zu einem gelungenen Miteinander und zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit.
In einem anderen Fall hatte eine Mitarbeiterin vor zu kündigen, weil ihr Vorgesetzter nicht auf ihre Gehaltswünsche eingegangen war. In einem Mediationsgespräch stellte sich heraus, dass es der Mitarbeiterin in Wirklichkeit um ganz andere Dinge wie Wertschätzung, Anerkennung für eine auf eigene Faust absolvierte Weiterbildung und interessante Aufgaben und nicht nur um eine Gehaltsanpassung ging. Solche Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, zu hinterfragen, welche Interessen und Bedürfnisse hinter vermeintlichen Positionen stecken.
Welche Voraussetzungen sollte jemand mitbringen, der sich zum Mediator ausbilden lassen will?
Wichtig ist sicherlich, dass ein angehender Mediator geduldig, empathisch und konfliktfähig ist. Außerdem ist es förderlich, dass jemand eigene Berufserfahrungen gesammelt hat, um typische Spannungen und Konfliktfelder einschätzen zu können, die sich im betrieblichen Kontext ergeben. Förderlich ist auch, nicht zu starr auf seinem eigenen Standpunkt zu beharren, sondern im positiven Sinne neugierig und offen zu sein sowie sich auf andere Menschen und deren Ideen, Werten und Bedürfnissen einlassen zu können.
Möchten Sie unseren Lesern noch etwas mitteilen?
Ja gerne! Mediation lohnt sich nahezu immer und ist in 80% der Fälle auch nachweislich erfolgreich. Deshalb sollten Parteien auf jeden Fall eine Mediation versuchen, um langwierige, nervenaufreibende und vor allen Dingen auch teure Prozesse zu vermeiden. Das Mediation erfreulicherweise von immer mehr Unternehmen nachgefragt wird, ist auch eines der Ergebnisse unser oben erwähnten Studie „Streitkulturindex für Unternehmen und Organisationen in Deutschland“. So haben rund ein Drittel der Unternehmen zur Konfliktbearbeitung bereits externe Mediatoren beauftragt und 82,5 Prozent bewerteten die Arbeit der Mediatoren als sehr gut oder gut. Damit liegt die Zufriedenheit mit Mediatoren deutlich höher als bei den klassischen Streitbeilegungsprofessionen wie Rechtsanwälten, Schlichtern oder Schiedsrichtern.
Frau Prof. Dr. Rolf, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Das Interview führte Robert Glunz, Vorstand Deutsche Stiftung Mediation