1. Wie wichtig und zukunftsfähig ist das Thema Mediation für unsere Gesellschaft heute aus Ihrer Sicht?
Die Mediation ist eine wichtige Alternative zu einer gerichtlichen Streitbeilegung und ein zukunftsfähiges Instrument zur Konfliktlösung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 14.02.2007 – 1 BvR 1351/01) hat bereits im Jahr 2007 betont, dass die einvernehmliche Lösung von Streitigkeiten durch die Konfliktparteien einer Entscheidung im streitigen Verfahren grundsätzlich vorzuziehen ist. Durch das Mittel der Mediation wird die Lösung von Konflikten wieder zurück in die Eigenverantwortung der Parteien gegeben. Diese können neben rechtlichen Aspekten gleichzeitig persönliche, ideelle oder auch ökonomische Gesichtspunkte in eine Einigung mit einbeziehen und auf diese Weise ihren Konflikt individuell lösen und damit nachhaltig befrieden. Eine qualitativ hochwertige Mediation ist daher als konstruktive Form der Konfliktbewältigung ein unverzichtbarer Bestandteil der Konfliktlösung in Deutschland.
2. Wie sehen Sie Mediation in Deutschland im internationalen Vergleich?
Durch das Mediationsgesetz aus dem Jahr 2012 und die Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung aus dem Jahr 2016 ist die Mediation rechtlich solide aufgestellt. Allerdings gibt es in der Praxis noch Aufholbedarf. Einerseits erfreut sich die Mediation ausweislich des aktuellen Roland Rechtsreports 2021 einer großen Bekanntheit: 86% der Bevölkerung haben von außergerichtlicher Streitbeilegung gehört und mehr als die Hälfte der Bevölkerung bewertet diese als ein geeignetes Instrument zur Konfliktlösung. Andererseits ist im Vergleich zu einigen anderen Ländern, insbesondere im angelsächsischen Rechtskreis zu konstatieren, dass wir in Deutschland noch Luft nach oben haben im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung der Mediation. So zeigt auch der im Auftrag des Bundesjustizministeriums erstellte Evaluationsbericht zum Mediationsgesetz aus dem Jahre 2017, dass die Mediation noch zurückhaltend genutzt wird und viele Mediatorinnen und Mediatoren ihr Angebot nicht ohne weiteres an die Kundinnen und Kunden bringen können.
Vor diesem Hintergrund freue ich mich, dass das Bundesjustizministerium im Rahmen einer großen Fachkonferenz am 28. Mai 2021 gemeinsam mit nationalen und internationalen Expertinnen und Experten über Möglichkeiten diskutieren wird, wie wir die Mediation in Deutschland weiter voranbringen können.
Bei solchen Vergleichen sollten wir allerdings nicht außer Betracht lassen, dass unsere Justiz durch ihre guten Beratungs- und Prozesskostenhilferegelungen bereits einen niedrigschwelligen Zugang zum Recht bietet. Anders als vielleicht in anderen Ländern besteht für Bürgerinnen und Bürger in Deutschland daher unter diesem Gesichtspunkt ein geringeres Bedürfnis, auf alternative Formen der Streitbeilegung auszuweichen.
3. Was tun Sie, um das Verständnis zum Thema Mediation in Deutschland zu stärken?
Um die Mediation in Deutschland zu fördern, sind gemeinsame Anstrengungen aller Akteure notwendig. Ich unterstütze daher Bemühungen der Fachverbände und -organisationen, die sich für die Mediation in Deutschland einsetzen. So stärkt das Bundesjustizministerium etwa Ihre aktuelle Kampagne („Mediation-Marketingaktion 2021“ der Deutschen Stiftung Mediation). Ich würde mir wünschen, dass die Mediationscommunity Ihre Kampagne als Chance für eine Zusammenarbeit sämtlicher Beteiligter nutzt und dadurch einen neuen Zusammenhalt schafft. Denn nur eine Bündelung aller internen Kräfte kann etwas nach außen hin bewirken.
Besonders hinweisen möchte ich auf den regelmäßigen Online-Austausch des Bundesjustizministeriums mit Mediatorinnen und Mediatoren, Verbänden und Ausbildungsinstituten sowie Expertinnen und Experten aus der Forschung, um neue Entwicklungen zu begleiten und erforderlichenfalls auf gesetzgeberischen Unterstützungsbedarf hin überprüfen zu können. Dem dient gerade auch die bereits erwähnte Fachkonferenz Ende dieses Monats: Hier wollen wir gemeinsam mit sämtlichen Akteuren in der Mediation eruieren, was wir zusätzlich zur Fortentwicklung und Stärkung der Mediation in Deutschland beitragen können.
4. Wäre es Ihrer Meinung nach sinnvoll, die Mediation der rechtlichen Klärung als Konfliktlösungsmethode in Arbeitsverträge zu verankern?
Den Impuls verstehe ich, aber man darf nicht vergessen: Ein Grundprinzip der Mediation ist die Freiwilligkeit. Insofern ist fraglich, ob eine vertragliche Verankerung ein guter Weg wäre. Diese würde ja erst einmal nichts an der Haltung der Beteiligten ändern. Hilfreich ist aber sicherlich eine Unternehmenskultur, die Mediation als Mittel zur Konfliktbewältigung etabliert. Hier können auch Aufklärungskampagnen helfen mit Best Practice Beispielen aus Unternehmen, wie sie die Stiftung Mediation ja schon betreibt.
Außerdem gibt es im Arbeitsrecht durchaus schon Mediation. Im Arbeitsgerichtsgesetz ist zum Beispiel das sogenannte Güteverfahren verankert. Das sieht auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Mediation vor. Das Gericht kann den Parteien eine außergerichtliche Mediation vorschlagen. Entscheiden sich die Parteien dafür, ordnet das Gericht das Ruhen des Verfahrens an. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit einer gerichtsinternen Mediation durch einen sogenannten Güterichter.
5. Die Deutsche Stiftung Mediation befürwortet zur Qualitätssicherung im Sinne des Verbraucherschutzes und zur Förderung von Bekanntheit und Akzeptanz in der Bevölkerung die Einführung einer Mediatorenkammer in Deutschland. Inhaltlich soll sich die Mediatorenkammer dabei an die Rechtsanwaltskammern anlehnen. Würden Sie die Einrichtung einer Mediatorenkammer befürworten?
Die Qualitätssicherung und die Förderung der Bekanntheit und Akzeptanz der Mediation in der Bevölkerung sind mir ein großes Anliegen. Die Errichtung einer Mediatorenkammer wird als ein denkbarer Ansatz angeführt, um dieses Ziel zu erreichen und wird jüngst in dem von der Deutschen Stiftung Mediation beauftragten Gutachten von Prof. Dr. Winfried Kluth dargelegt. Das Bundesjustizministerium wird diese Frage eingehend im Rahmen der Fachkonferenz diskutieren. Natürlich wird es dabei auch um die wichtigen Fragen der Finanzierung gehen müssen.
Wir bedanken uns bei Frau Ministerin Lambrecht sehr herzlich für das spannende Gespräch.
Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz
Foto: Thomas Imo / photothek
Das Interview führte Marion Uhrig-Lammersen, Repräsentantin Berlin der Deutschen Stiftung Mediation.