Im Gespräch mit Christoph Bubert

Okt 5, 2018

Unsere Interviewreihe setzen wir mit einem Gespräch mit Christoph Bubert fort. Christoph Bubert ist seit 1987 als Rechtsanwalt und seit 2002 als Mediator tätig. Er blickt zudem auf eine langjährige Erfahrung als Ausbilder für Mediation, Dozent, Coach, Supervisor und Schlichter zurück. Sein Tätigkeitsfeld ist insbesondere die Bau-Mediation.

Herr Bubert, gibt es Ihrer Meinung nach markante Meilensteine in der Entwicklung der Mediation?

Markanter Meilenstein in der Entwicklung der Mediation war für mich die Teilnahme an einer so genannten Balint-Gruppe für Rechtsanwälte ab dem Jahr 2000. Daraus entwickelte sich für mich auch die Mediationsausbildung, die ich im Jahre 2002/2003 absolviert habe. Seitdem habe ich die Gründung von Verbänden wahrgenommen, insbesondere die Gründung des Baumediatorenverbandes in den Jahren 2008/2009. Ein weiterer Meilenstein für mich war das Inkrafttreten des Mediationsgesetzes im Jahre 2012. Dadurch wurde das Thema Mediation auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen und bekam aus meiner Sicht einen seriösen Charakter. Auch die Verwechslungen mit der so genannten Meditation haben seitdem abgenommen.

Wie wichtig und zukunftsfähig ist das Thema Mediation für unsere Gesellschaft heute aus Ihrer Sicht?

Das Thema Mediation ist aus meiner Sicht für unsere Gesellschaft sehr wichtig. Die Menschen leben in unserer Gesellschaft häufig in Angst vor Jobverlust, Rentenkürzungen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen etc. Auch die Entfremdung von der Arbeit, die Polarisierung in unserer Gesellschaft sind Gründe, die zu zahlreichen Konflikten führen. Wir benötigen insoweit ein funktionierendes und angemessenes Konfliktlösungsverfahren, das insbesondere auf die jeweiligen Interessen/Bedürfnisse abstellt. Auch die Existenz von Rechtsschutzversicherungen hat für eine Zunahme von Klagen vor Gericht geführt. Wir benötigen zwar eine funktionierende Gerichtsbarkeit, aber wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass die Gerichte nicht völlig überlastet sind. Dies führt zu übermäßig langen Gerichtsverfahren, die kostenträchtig und nervenaufreibend sind. Eine echte Alternative dafür ist die Mediation, die diese Negativentwicklung eindämmen kann.

Das Thema Mediation ist unbedingt zukunftsfähig. Die Mediation und mediatives Verhalten gibt es in sehr unterschiedlicher Form, z. B. Schulungen, Workshops, Seminaren etc. Die Mediationsstruktur und die Techniken in der Mediation finden auch in einem weiten Verständnis von Mediation heute mehr als früher statt. So wird die Mediation auch häufig Moderation, Zukunftswerkstatt, Teamcoaching, Supervision etc. genannt, obwohl im Kern eine Konfliktklärung im kleinen oder größeren Kreis gemeint ist.

Wie bewerten Sie das heute vorhandene Verständnis zum Thema Mediation in Deutschland?

In Deutschland ist das Thema Mediation schon wesentlich bekannter als vor einigen Jahren. In innerbetrieblichen Kontexen, besonders in größeren Unternehmen findet sehr häufig Mediation statt. Natürlich stehen solche Ereignisse wegen des Vertraulichkeitsgrundsatzes nicht in der Tagespresse. Aber bei einigen Menschen ist das Thema Mediation noch nicht angekommen. Manche verwechseln es immer noch mit Meditation und haben entsprechende Vorurteile oder Vorbehalte. Andere haben Angst vor neuen Erfahrungen und Verfahren.

Wie unterscheidet sich aus Ihrer Sicht die Mediation von anderen Konfliktlösungs­methoden?

Die Unterscheidung liegt aus meiner Sicht ganz konkret in der Rechtsanwendung bei den übrigen Verfahren. Beim Schiedsgericht als privatem Gericht findet die Zivilprozessordnung Anwendung. Es gibt ein Urteil oder einen Schiedsspruch. Der Schlichter unterbreitet im Regelfall einen rechtsbasierten Schlichtungsspruch, der von den Parteien abgelehnt oder angenommen werden kann. In der Adjudikation, einem speziellen Klärungsverfahren in der Baubranche, findet ebenfalls das Recht Anwendung. Konfliktlösend ist natürlich auch das Schiedsgutachten, in dem allerdings Meinungsverschiedenheiten von einem Dritten, nämlich dem Sachverständigen abschließend geklärt werden sollen.

Warum ist Mediation für Sie persönlich ein guter Weg zur Einigung?

Der gute Weg besteht darin, dass die beiden Parteien ihn gemeinsam unter Leitung der Mediatoren beschreiten und in eigener Verantwortung eine Lösung finden sollen. Eine solche gemeinsam gefundene Lösung ist regelmäßig von Dauer, da sie den wechselseitigen Interessen entsprechen soll. In der Mediation werden die Parteien nicht amtlich geladen, sie müssen sich nicht einem Urteil beugen, sie sind eben freiwillig in einem vertraulichen Verfahren, von dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Für mich ist gerade bei der Mediation wichtig, dass das Recht nicht angewandt wird, vielmehr die Interessen der Parteien an die Stelle der Rechtsvorschriften treten. Es sollte im Mediationsverfahren auch keine Vermischung von Interessen und Rechtsanwendung geben. In der Mediation gibt es zwar Strukturen (Phasen), aber der Mediator ist natürlich völlig frei, auch prozesshaft zu arbeiten. Damit meine ich: Er schaut sich die Mediationsparteien an, er fragt sich, wo er sie gerade abholt. Er muss auf Emotionen eingehen, die Kommunikation steuern und auf Eskalationen der Konfliktparteien angemessen reagieren können. Von besonderer Bedeutung bei der Mediation ist das Erarbeiten von kreativen Lösungen, die man sich in einem Gerichtsverfahren kaum vorstellen kann. Hier habe ich besondere Erfahrungen gemacht, die ich früher nicht für möglich gehalten hätte. Die Parteien benötigen nur etwas Zeit, um diese Lösungen für sich auf der Grundlage der Interessen zu erkennen.

Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach besonders entscheidend, damit eine Mediation erfolgreich wird?

Eine erfolgreiche Mediation setzt natürlich eine gründliche Auftragsklärung voraus. Es ist selbstverständlich, dass ein Mediator die Allparteilichkeit zu wahren hat. Mediatoren müssen imstande sein, flexibel auf Entwicklungen in der Mediation zu reagieren. Für den Erfolg einer Mediation ist eine entscheidende Grundlage der Perspektivwechsel. Hier geht es darum, dass die Parteien den jeweils Anderen wirklich verstehen und erkennen, dass dieser Andere auch ein bißchen „Recht“ hat, dass er Situationen anders wahrgenommen hat, dass er ein anderes inneres Erleben hat und auch anders fühlt als der jeweils andere. Wenn die Parteien von den Mediatoren schrittweise zu diesem Verständnis geführt werden, können wir als Mediatoren einen Wendepunkt erkennen, der dann im weiteren Verlauf zu einer Lösung führt.

Existieren besondere Risiken, um eine Mediation durchzuführen?

Echte Risiken bestehen meines Erachtens nicht. Wenn Sie allerdings das Zustandekommen einer Mediation meinen, so liegt ein Risiko darin, dass eine der Parteien nicht teilnehmen möchte. Hier besteht die Kunst der Mediatoren darin, Wege zu finden, wie diese Person zum Beteiligten einer Mediation wird, d. h. wie sie trotz der Widerstände und Bedenken letztlich freiwillig den Schritt in die Mediation macht.

Sie sind ja im Wesentlichen in der Bauwirtschaft als Mediator und Ausbilder tätig. Welche Herausforderungen ergeben sich insbesondere bei Mediationen in diesem konkreten Umfeld?

Die Bauwirtschaft ist eine spezielle Branche, in der Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Es gibt Stimmen, die die Auffassung vertreten, dass ein Mediator keine Feldkompetenz besitzen muss oder sogar sollte. Ich sehe das etwas anders: Nach meiner Erfahrung ist es von großem Vorteil, wenn die Mediatoren die Sprache der Baubeteiligten verstehen und mit den speziellen Taktiken und Strategien umgehen können. Wer nicht weiß, wie mit dem Thema Nachträge und Mängel umzugehen ist, wird sich als Mediator schwertun. Viele Baubeteiligte erwarten auch von den Mediatoren Erfahrungen und Kenntnisse in der Baubranche. Eine weitere Herausforderung besteht in dem angemessenen Umgang mit Komplexität. Ich denke dabei an etwas größere Bauvorhaben mit Hunderten von Mängeln und auch Nachträgen. Wird hier jeder Nachtrag und Mangel detailliert besprochen, unterscheidet sich die Mediation nicht wesentlich von den herkömmlichen Klärungsprozessen und außergerichtlichen Verhandlungen der Parteien. Um eine sinnvolle und schnellere Lösung der Konflikte und Beendigung der Auseinandersetzungen zu finden, müssen die Parteien behutsam zu der Erkenntnis geführt werden, dass auch eine mehr oder weniger pauschale Lösung zu Lasten einer detaillierten Aufklärung sinnvoll erscheint. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, gilt es herauszuarbeiten, dass die Durchführung von selbstständigen Beweisverfahren oder die Führung eines Rechtsstreites mit einer erheblichen Verfahrensdauer, hohen Kosten, Energieverlusten und Bindung von Ressourcen und Rückstellungen verbunden ist.

Welche Herausforderungen ergeben sich aus dem Mediationsgesetz bzw. insbesondere aus der Ausbildungsverordnung?

Aus dem Mediationsgesetz von 2012 ergeben sich konkrete Pflichten für Mediatoren, insbesondere auch Aufklärungs- und Hinweispflichten. Speziell für die Anwaltsmediatoren hat der Bundesgerichtshof kürzlich entschieden, dass diese Mediatoren besonderen Hinweispflichten wie sonstige Anwälte unterliegen. Dem kann man nur insoweit begegnen, als die Parteien ausdrücklich darauf hingewiesen werden, sich vorher oder für die Abschlussvereinbarung jeweiligen Rechtsrat einzuholen. Wie bei anderen Gesetzen ist es nunmehr so, dass bei Bestehen von gesetzlichen Verpflichtungen auch Schadensersatzansprüche im Falle eines Fehlverhaltens zumindest theoretisch möglich sind. Natürlich gibt es dafür Berufshaftpflichtversicherungen. Weitere Herausforderungen ergeben sich aus der Ausbildungsverordnung insoweit, als nunmehr konkrete Fortbildungspflichten normiert sind, d. h. die Verpflichtung für Einzelsupervisionen und Fortbildungsstunden.

Nicht zu verkennen als Herausforderung ist der Wunsch nach Gründung einer einheitlichen Zertifizierungsstelle von Mediatoren. Diese Stelle wird entweder von den Verbänden getragen oder vom Staat selber, z. B. dem Bundesjustizministerium ähnlich der Rechtslage in Österreich.

Möchten Sie unseren Lesern noch etwas mitteilen?

Ja! Probieren Sie Mediation aus! Was haben Sie zu verlieren? Sie können das Mediationsverfahren jederzeit freiwillig und ohne Gründe abbrechen. Gehen Sie rechtzeitig in ein Mediationsverfahren, bevor es zu spät ist. Ist der Konflikt erst einmal hocheskaliert, bleibt häufig nur der Gang zum Gericht, das Ausscheiden aus einem Vertrag, der Jobwechsel, die Versetzung usw. Gehen Sie in der Mediation aufeinander zu; versuchen Sie es wenigstens, was haben Sie zu verlieren? Vertrauen Sie auf die Vorteile der Mediation: Schnelle Lösung mit relativ geringen Kosten, Klärung der persönlichen Beziehungen, bestenfalls die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft, Vertraulichkeit, Freiwilligkeit und Vergrößerung des Kuchens in Form von kreativen Lösungen.

Das Interview führte Robert Glunz.

Anmerkung:
Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung alle Geschlechter, auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet wurde.