Die beiden Brüder – der ältere war gerade mit seinem Biologie-Studium fertig, der jüngere studierte noch BWL (wie es sich der Vater von beiden Brüdern gewünscht hätte) – zerstritten sich völlig. Das Problem war: es galt die gesetzliche Erbfolge. Also erbte jeder Sohn die Hälfte des Unternehmens. Damit war eine Patt-Situation eingetreten. Jeder Bruder wollte schon aus Prinzip das Gegenteil von dem, was der andere vorschlug. Das konnte nicht gut gehen. Ein Unternehmerfreund der Familie, der seine Scheidung im Rahmen einer Mediation ohne Rosenkrieg durchziehen konnte, gab den Brüdern den Rat, es doch einmal mit einer Mediation zu versuchen.
Knoten lösen, Verletzungen heilen, Verständnis schaffen
Und siehe da: Dem Mediator gelang es, die Brüder zunächst einmal an einen Tisch zu bekommen. Anfangs gab es nur die so genannte Brückenkommunikation, also keinen direkten Austausch der zerstrittenen Brüder, sondern allein den Weg über den Mediator („Sagen Sie dem Herrn auf der anderen Seite des Tisches doch bitte, dass…“). Doch mit der Zeit erkannten die Brüder, dass es Sinn macht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Im Folgenden konnten die Interessenlagen beider Brüder herausgearbeitet werden, ihre Befindlichkeiten, ihre Verletzungen. Das löste letztlich den Knoten. Und beide erkannten, dass sie im Prinzip gar nicht so weit auseinander liegen.
Faire Lösung im Sinne aller Beteiligten
Im Ergebnis verständigten sich die beiden Brüder auf das, was eigentlich schon mit dem Vater besprochen, aber eben leider nie zu Papier gebracht worden war. Die GmbH-Anteile wurden so verteilt, dass der jüngere Bruder zwei Drittel erhielt. Dafür erhielt der ältere Bruder das Elternhaus und das Barvermögen. Die Gesellschafter beschlossen, dass der langjährige Betriebsleiter kommissarischer Geschäftsführer wurde, bis der jüngere Bruder nach dem BWL-Studium und einem Trainee in einem anderen Unternehmen die Geschäftsleitung zu übernehmen bereit war.
Die große Chance dieses Weges der Konfliktlösung lag natürlich darin, dass ein langjähriger Erbprozess mit Gutachten, Instanzenzug etc. vermieden wurde. Schon nach einem Vierteljahr war das Unternehmen wieder „auf Kurs“. Der klassische Weg über die Justiz hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit direkt in die Insolvenz geführt.
Für die Brüder hatte das Verfahren den besonderen Gewinn, dass sie sich noch heute in die Augen sehen können, sie mit dem Willen ihres verstorbenen Vaters im Reinen sind und das Unternehmen prosperiert, was dem wissenschaftlich tätigen älteren Bruder langfristige Unabhängigkeit garantiert und dem jüngeren zur Lebensaufgabe wurde.