Demenz – ein systemisches Drama

Viele Facetten und Veränderungen

Wenn ein Mensch an einer Demenz erkrankt, sind Angehörige, Freunde, Nachbarn und andere Dritte von den Symptomen stark betroffen: Da verliert jemand seine Selbstständigkeit, Fehlleistungen verursachen Verwirrung, Kosten oder Unterstützungsbedarf. In den meisten Fällen erleben die Erkrankten eine starke Einschränkung des Selbstbewusstseins; es treten Trauer, Angst und Scham auf. Angehörige versuchen, betroffene Familienangehörige zu respektieren und gleichzeitig die notwendige Unterstützung zu bieten. Das bedeutet nicht selten einen 24-Stunden-Dienst für die Partnerin oder den Partner, der oder die in der Regel auch nicht mehr jung ist.

Ursachen einer Demenz können unterschiedliche Grunderkrankungen sein. Die bekannteste ist die Alzheimer-Erkrankung, deren Verlauf typischerweise langjährig und kaum beeinflussbar ist.

Bedürfnisse und der Verlust von Freiraum

Bei einer Demenz sind viele Menschen in das Geschehen involviert, unterschiedliche Standpunkte, Möglichkeiten und Erwartungen treffen aufeinander: Ein System ist betroffen. Ohne Unterstützung können Erkrankte nicht überleben. Neben deren Bedürfnissen, die durch die Veränderung von Bewusstsein und Persönlichkeit vielfach nur schwer zu ermitteln sind, sind auch die Bedürfnisse vieler weiterer Personen zu berücksichtigen. Der Hauptbetreuer oder die Hauptbetreuerin muss ein Dilemma lösen: Er oder sie muss für den Partner Versorgung, Präsenz, Zugehörigkeit und Verständnis ermöglichen und für sich selbst Autonomie und altersentsprechende Aktivitäten organisieren. Nicht selten geraten die eigenen Bedürfnisse in Vergessenheit – besonders auch, weil durch den schleichenden Verlauf der Krankheit langsam ein zunehmender Betreuungsbedarf jeglichen Freiraum zerstört.

Konflikte – gute Absichten und komplizierter Austausch

Der Verlust von Eigenständigkeit und die Tatsache, dass Dritte wie Kinder oder Pflegekräfte teilweise Verantwortung für einen Menschen übernehmen müssen, machen das Krankheitsbild für Mediatorinnen und Mediatoren bedeutsam: Unterschiedliche Überzeugungen und Erwartungen in der Familie verbunden mit eigener Betroffenheit, Verzweiflung, Überforderung oder Verantwortung bei einer Krankheit, die sich immer mehr verschlimmert, verursachen nicht selten Konflikte zwischen Familienmitgliedern. Eine grundsätzlich gute Absicht wird vielfach verkannt, eigene Vorstellungen über den Umgang, die Übernahme von Aufgaben und Betreuungszeiten werden verteidigt, die eigene emotionale Belastung, ein schlechtes Gewissen und fehlende Expertise machen den Austausch kompliziert.

Mediation gibt Orientierungshilfe 

Solche Konflikte können mit Hilfe von Mediation lösungsorientierter und weniger beziehungsgefährdend gelöst werden. Mediation kann aber auch in frühen Krankheitsphasen unterstützen, etwa wenn Familien die Zukunft unter Einbeziehung der betroffenen Person gemeinsam planen. Dabei benötigen Mediatoren und Mediatorinnen keine medizinische Expertise, sondern etwas Geduld, Einfühlsamkeit und Menschlichkeit. 

Eine aufmerksame Mediation kann helfen, das systemische Drama der Demenz für die Beteiligten behutsam und lebensnah in systemerhaltende und gemeinsam abgestimmte Kapitel umzuschreiben.