Mediation statt Eskalation - ein Symposium in Leonberg

Unter dem Titel „Mediation statt Eskalation“ veranstalteten die Deutsche Stiftung Mediation in Kooperation mit der evangelischen Erwachsenenbildung Leonberg und dem Seehaus e.V. am 23. Novem- ber 2019 in den Räumen des „Haus der Begegnung“ in Leonberg ein Symposium zum Thema Mediation mit einem musikalischen Beitrag.

Im Plenum sowie dem sich anschließenden Interview und World Café widmeten sich die Vortra- genden und TeilnehmerInnen bestimmten Themenschwerpunkten, um Aspekte der Mediation zu vertiefen.

•   Begrüßt wurden dieTeilnehmenden imNamen der Deutschen Stiftung Mediation von Volker Rojahn, einem Gründungsmitglied der Stiftung.

Der Baden-Württembergische Repräsentant der Deutschen Stiftung Mediation, Jürgen Brandt, betonte in seinem Vortrag „Was ist Mediation und wie fühlt es sich an“, dass das Miteinander in der momentanen gesellschaftlichen Situation sowohl Raum als auch gegenseitiges Verständnis sowie Sensibilisierung erfordere. Nur dadurch könne Frieden weiter gewahrt bzw. realisiert werden. Wichtig sei es, u. a. eine unterstützende, klare und mediative Haltung einzunehmen, die u. a. durch Mediationen und Klärungshilfe, bzw. deren gedanklichen Inhalte und Lebensverständnisse, mit gestützt werden können.
Irmela Abrell, die sozialpädagogische Leiterin des „Seehaus e.V.“, berichtete in ihrem Vortrag über die Einrichtung und ihr Wirken. Im Jahr 2003 nahm das Seehaus Leonberg seine Arbeit auf. Seitdem gibt es straffälligen Jugendlichen die Chance, sich außerhalb von Gefängnismauern und der damit verbundenen negativen Beeinflussung durch andere Gefangene auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten. Im Seehaus Leonberg wohnen jeweils 5 bis 7 Jugendliche in drei Wohngemeinschaften mit Hauseltern und deren Kindern zusammen. In der einjährigen Berufsfachschule können die Jugendlichen derzeit das erste Lehrjahr für Bauberufe, in Metalltechnik oder Holz (Schreiner) absolvieren oder sich im Bereich Garten- und Landschaftsbau auf eine Ausbildung vorbereiten. Das Wirken und Tun des „Seehaus e.V.“ unterstützt die Sozialisation sowie Resozialisation der Jugendlichen und ermöglicht ihnen sowie den Opfern den gemeinsamen Dialog, den Perspektivwechsel und somit ein besseres Verständnis für die Situation, Sicht und Gefühle des/der anderen.
Yvonne Welsch gab einen Überblick über die „Mediationsstile und Mediationsbereiche“. Mediation sei nichts Festgeschriebenes, sondern eher einer Bergbesteigung ähnlich. D. h. die unterschiedlichsten Mediationsstile (u. a. evaluative Mediation, systemische Mediation, Klärungshilfe, narrative Mediation und Shuttle- oder Stellvertreter-Mediation) führen über unterschiedliche Wege und auch mit unterschiedlichen Zeitfenstern jeweils zur Bergspitze, um nach der gemeinsamen Besteigung und Durchwanderung des Konflikts eine klare und weite Aussicht auf das vor einem Liegende zu haben.
Im Vortrag „Mediation – Was braucht es, um im Streit zu kommunizieren“ von RA`in Susanne Krumbacher und Yvonne Graff wurde die Kommunikation im Konflikt, die Haltung im Konflikt sowie zum Konflikt und seinen Beteiligten beleuchtet und näher vorgestellt. Ferner wurde die Unterscheidung zwischen Kommunikationsregeln und Kommunikationshaltung sehr anschaulich erläutert sowie visualisiert.
Claudia Lutschewitz plädierte in ihrem Vortrag „Mediation als Haltung“ für Bewusstheit und mediative Kompetenz im Sinne des homo mediator, wie ihn Joseph Duss-von Werdt verstand. Sie startete Ihren Vortrag mit der Frage „Was Harry Potter und Mediation gemein haben“. Zum Ausklang des Vortrages stellte sie das Bildungsprojekt der Deutschen Stiftung Mediation „Mediation als Haltung“ vor und erläuterte, was die Mediation als Haltung im Bildungsbereich bedeutet – nämlich Selbstwirksamkeit und deeskalierende Fähigkeiten, die schon früh und präventiv spielerisch vermittelt sowie im Schulalltag gelebt werden können. Im Projektteil „Clever streiten“ erstellte die Stiftung vier Mappen-Typen (für Kindergärten, Grundschulen, weiterführende Schulen und berufsbegleitende Schulen/Universitäten/FH).
„Aus der Friedensmediation“ berichtete Prof. Dr. Dr. h. c. FriedrichGlasl. Seine 53-jährige Mediationstätigkeit ermöglichte ihm, u.a. in Südafrika, Nordirland, Kroatien und Israel als Mediator mit zu unterstützen. Sein Bericht zu diesen Tätigkeiten war kurzweilig und fesselnd. Es wurde deutlich, wie mediative Haltung, offene und raumgebende Fragen sowie aktives Zuhören, nicht zu vergessen, die Beharrlichkeit des Mediators, oft unerreichbar scheinende Lösungen ermöglichen und damit Frieden schaffen können. Sein Vortrag wurde darüber hinaus durch kurze, geschichtliche Hintergrundinformationen gestützt, so dass der Konflikt und seine jeweilige Eskalations-Situation beinahe spürbar im Raum waren. Ferner verdeutlichte der Vortrag den Friedensprozess als Befriedung durch Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Diese unterteilte Glasl, angelehnt an Abraham Maslow, in spirituelle, psychosoziale Bedürfnisse, Sicherheit und Beständigkeit sowie physiologische Bedürfnisse.
Julia Aleemi-Meier erläuterte in ihrem Vortrag „Interkulturelle und mediative Haltung“ u. a., wie interkulturelle Unterschiede, Stereotype, Vorurteile und Klischees wirken sowie in Grundzügen erkannt werden können. Sie ging dabei auf divergierende Kulturdimensionen und interkulturelle Begegnungen, d. h. deren alltägliche Potentiale für Konflikte, ein. Ganz besonders wichtig sei es, Kommunikationsunterschiede und Sprache zu integrieren.
Musik hat das Potential, Räume zu öffnen. Interpreten und Zuhörer können im Gleichklang schwingen, so dass Vielfalt entsteht, Widerstände transformiert und Verständigung erreicht werden kann. Potential, das auch die Mediation bzw. die mediative Haltung umfasst. In die zweite Hälfte des Symposiums, nach der Mittagspause, lud daher der Konzertpianist Andreas Lucewicz zu Beethoven und Debussy ein und entließ die Beteiligten mit einer Zugabe von Chopin, in deren Musik seine ganze emotionale Kraft und Virtuosität einfloss.
Im „Moderations-Fluss“ beantwortet Prof. Dr. Dr. h. c. Glasl Fragen, die Claudia Lutschewitz im Zuge der Symposiums-Organisation von Mediator*innen und mediativ Interessierten zusammengestellt hatte. Darunter waren Fragen zu seiner Person sowie seinen positivsten und schwierigsten Mediationserfahrungen. Fragen, die einen systemischen Blick auf die Mediation ermöglichten - u. a., ob Zeiten der Veränderung zugleich Zeiten der Mediation sind, gefolgt von Fragen zur Deeskalation im Konflikt, mit einem abschließenden Ausblick auf sein Motto sowie seine Vision zur Mediation. Er ermutigte die Zuhörenden zur aktiven Konfliktbewältigung sowie die Deutsche Stiftung Mediation zur weiteren Verbreitung des Projekts „Mediation als Haltung“ im Bildungsbereich. Sein Mediationsmotto ist: „Ein Konflikt ist ein misslungener Versuch einer Entwicklung“.
Das Symposium wurde durch das World Café „Das Miteinander in der Gesellschaft“ abgerundet und geschlossen. Dabei konnten die Teilnehmenden an eigens dafür vorbereiteten Tischen zum einen Fragen an die Vortragenden zu ihren speziellen Vortragsthemen stellen sowie Fragen diskutieren u. a. zu Themen „Wie können Familienprojekte (z.B. Miteinander, Bau, Pflege, etc.) heutzutage noch gut gelingen?“, „Im Zeitalter von Social Media: Jeder kennt jeden, aber wie gut kennen Sie Ihre Nächsten?“, „Interkulturalität im Familienkontext - welchen Herausforderungen stellen sich Familien, oder „Täter-Opfer-Ausgleich – Risiken und Chancen?“.

Summa summarum ein spannender, erlebnisreicher sowie sehr abwechslungsreicher Symposiumstag, der auch aufgrund der hervorragenden Organisation der Mitarbeiter*innen der baden- württembergischen Repräsentanz der Deutschen Stiftung Mediation, federführend unter Heike Dietze-Rogowsky, realisierbar wurde.

Claudia Lutschewitz

Leiterin Bildungprojekt "Mediation als Haltung" der Deutschen Stiftung Mediation