Im Gespräch mit Dr. Christoph Partsch

Dr. Christoph Partsch ist Rechtsanwalt und Kunsthistoriker. Von 2011 bis 2016 war Christoph Partsch der Vertrauensanwalt des Senats für die Bekämpfung von Korruption. Zwar ist er selbst kein Mediator, aber ein Befürworter der Mediation. Er beschäftigte sich sehr lange mit den in Potsdam gelegenen Villen am Griebnitzsee und hat dabei insbesondere auch tiefe Einblicke in die juristischen Auseinandersetzungen gewonnen. 

Wie wichtig und zukunftsfähig ist das Thema Mediation für unsere Gesellschaft heute aus Ihrer Sicht?

Ich glaube es ist eines der wichtigsten Themen, weil unsere Gesellschaft auseinanderdriftet. Sie wird „schick“, wie vor kurzem der Geschäftsführer des Börsenvereins treffend sagte. Und die Zusammenführung und den Ausgleich der Interessen, den muss man schaffen, um als Gesellschaft, um als Gesamtheit voranzukommen.

Wie sehen Sie Mediation in Deutschland im internationalen Vergleich?

Zurzeit hinken wir den USA aber auch England und anderen Staaten hinterher. Das liegt zum einen an unserem immer noch gut funktionierenden Justizsystem. Der Zugang zum Recht über die Gerichte und auch über die Rechtschutzversicherung funktioniert. Der Zaunstreit wird erstaunlicherweise immer noch von der Rechtschutzversicherung finanziert. In England und in den USA würde keiner deswegen vor ein Gericht ziehen, weil es sich nicht lohnt und er/sie es sich nicht leisten kann. Mediation ist in den verschiedenen Bereichen in anderen Staaten wegen deren zu teuren Rechtssystemen und wegen anderer Eintrittshürden die Möglichkeit, außerhalb des Staats Konflikte zu lösen.

Was tun Sie, um das Verständnis zum Thema Mediation in Deutschland zu stärken?

Es gibt Konflikte, bei denen ich den Mandanten am Anfang empfehle, wollen sie diesen Konflikt nicht einer Mediation überantworten. Ich hatte gerade einen Fall einer völlig zerstrittenen Familie. Es geht um eine Erbauseinandersetzung über drei Generationen. Über drei Generationen hat man sich heillos verkeilt und diese Konflikte werden nun von einer Generation zur nächsten übertragen. Notarielle Urkunden füllen drei Leitzordner. Das ist ein klassischer Fall für die Mediation. 

Dann verdienen Sie als Anwalt ja nichts daran.

Es gehört - glaube ich - zu einer sachgerechten Beratung, auf die Möglichkeit der Mediation hinzuweisen. Viele Konflikte sind durch unsere Gerichte und sind durch unser Verharren auf Rechtsansprüchen nicht zu lösen, sondern nur in einem mediativen Verfahren. Es gibt genug Fälle, an denen ich auch gerne verdiene.

Fänden Sie es sinnvoll, wenn Vertrauensanwälte von Städten und Gemeinden - Sie waren einer in Berlin - enger mit Mediatoren zusammenarbeiten? Oder geht das nicht, weil ja diejenigen, die den Vertrauensanwalt einschalten, namentlich nicht genannt werden wollen?

Es gibt Vertrauensanwälte für sehr verschiedene Aufgaben. Meine Tätigkeit war damals der Vertrauensanwalt für Hinweise auf korruptives Verhalten in der Verwaltung. Da wäre ein mediatives Vorgehen sehr schwierig gewesen, weil ich ja dann die eine Seite, die sich bestechen lässt oder besticht, mit der anderen Seite, die einen Hinweis gibt, zum Ausgleich hätte bringen müssen. Das war damals nicht meine Aufgabe, sondern schlichtweg, ich habe mich an die Staatsanwaltschaft damals oft gewendet und habe gesagt, hier ist ein Fall für Sie. Es gibt andere Vertrauensanwalt-Positionen, wo es sich eher anbietet. Das betrifft den ganzen Bereich Gewaltschutz. Also Schutz vor Auseinandersetzungen in Ehen, in Unternehmen, Mobbing, Stalking, wo man als Ombudsanwalt, Vertrauensanwalt, Vertrauensfrau - wie immer man es nennt - natürlich sagt, hier gibt’s nur begrenzte rechtliche Möglichkeiten und der Erfolg ist langanhaltender und besser, wenn wir einen Ausgleich suchen. Da ist Mediation eine Antwort.  

Wie hoch ist Ihrer Erfahrung nach die Bereitschaft Ihrer Klienten, eine Mediation einem Rechtsstreit vorzuziehen? 

Die Bereitschaft ist sehr, sehr unterschiedlich. Sie hängt vom Bildungsgrad ab und sie hängt natürlich immer von der Art der Auseinandersetzung ab. Man kann eigentlich nicht einen Prozentsatz nennen, weil es immer wieder auf den individuellen Fall ankommt. Alle „normal“ aufgestellten Mandanten sind eigentlich positiv überrascht, wenn sie davon hören, dass ihnen die Möglichkeit von einem Anwalt vorgeschlagen wird. Viele sagen dann aber auch - mein Fall eignet sich nicht.

Haben Sie schon selbst an Mediationen teilgenommen oder für sich selbst genutzt und wenn ja, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Für mich persönlich nicht. Als Anwalt begleite ich sehr viele Mandanten in die Mediation. Gerade läuft in einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung vor dem OLG Frankfurt ein Mediationsverfahren, das von einer Vorsitzenden Richterin sehr sachkundig betrieben wird.

Es gibt jetzt mehrere Anwälte als Vertrauensanwalt. Wäre es nicht auch sinnvoll zu sagen - wir haben ab sofort auch Mediatoren als vertraute Mediatoren, ihr könnt euch einen aussuchen?

Die Parteien müssen sich ja auf die Mediation einigen und dazu gehört auch, dass man sich auf allparteiliche Mediatoren einigt. Wenn diese vom Land vorgegeben werden, ist das vielleicht ein Angebot, das manche vielleicht wahrnehmen. Andere wollen den Mediator oder die Mediatorin aber selbst aussuchen. Ich glaube, es könnte ein Angebot sein. Auf der anderen Seite gibt es ja auch viele Verbände, die sich um Mediation kümmern, die sachgerechter empfehlen können, welche Mediatoren für welches Gebiet geeignet sind. Ich denke, gerade die Auswahl von Mediatorinnen und Mediatoren sollte man den Parteien überlassen, damit sie sich auf das Verfahren einlassen können. 

Die Deutsche Stiftung Mediation befürwortet zur Qualitätssicherung im Sinne des Verbraucherschutzes und zur Förderung von Bekanntheit und Akzeptanz in der Bevölkerung die Einführung einer Mediatorenkammer in Deutschland. Inhaltlich soll sich die Mediatorenkammer dabei an die Rechtsanwaltskammern anlehnen. Würden Sie die Einrichtung einer „Mediatorenkammer“ auch als Anwalt unterstützen?

Die Einführung von solchen Körperschaften hat Vor- und Nachteile - wie alles. Für die Anwälte hat es sich sehr bewährt. Warum sollte es für Mediatorinnen und Mediatoren nicht auch ein bewährtes Instrument sein? Dazu müsste der Gesetzgeber das gesetzlich einrichten. Ich denke eine solche Verkammerung würde die Akzeptanz der Mediation erheblich erhöhen und das wäre sicher ein Grund dafür. 

Sie haben gerade ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „Die Villen am Griebnitzsee“. Ihr Buch handelt von den schönen alten und geschichtsträchtigen Villen dort. Aber es gab auch um diesem Uferweg des Sees in Potsdam immer wieder Streitigkeiten. Konnten diese denn im Rahmen einer Mediation beigelegt werden? 

Die Konflikte konnten bisher nicht beigelegt werden aus mehreren Gründen. Zunächst wurde eine Mediation vorgeschlagen, die keine Mediation war. Zu diesem Anlass sind zwei Personen, darunter Herr de Maiziere in meiner Kanzlei erschienen und haben mir erzählt, sie seien jetzt Mediatoren und würden mir vorschlagen, dass meine Mandanten noch die Farbe des Gartenzauns bestimmen könnten, und im Übrigen würde das Grundstück enteignet. Dann habe ich gefragt, ob das ihre Auffassung von Mediation sei. Das haben sie bestätigt und dann war diese „Mediation“ für mich beendet. Die zweite Mediation wurde sehr viel sachkundiger von dem ehemaligen vorsitzenden Richter vom OVG Prof. Ortloff geführt. Es war ein langes Verfahren und hat aus verschiedenen Gründen aber nicht zum Erfolg geführt. Aber es war nach meiner Meinung ein richtiger und guter Versuch und hätte zum Erfolg führen können. 

Aber das Verfahren schwebt? 

Das Verfahren ist von beiden Seiten für beendet erklärt worden, aus verschiedenen Gründen, die ich nicht hier ausführen kann. Aber bei der Mediation müssen halt beide Seiten damit einverstanden sein. 

Gott sei Dank sind wir nicht mehr in der alten Geschichte, wo der Sekundant nochmal nach links und dann nach rechts gegangen ist - oder eine kleine Schlichtung versucht hat. War der Sekundant früher sowas wie ein Schlichter oder Mediator?

Der Sekundant hatte - jedenfalls was ich von solchen Auseinandersetzungen weiß - darauf geachtet, dass die Regeln beim Schießen eingehalten wurden. Dass die Personen sich richtig aufstellten. Er war sicher kein Mediator und auch kein Schiedsrichter. Den Duellen ging jedoch immer eine Art Mediationsversuch voraus. Da haben nämlich die Sekundanten unter sich zu zweit gesprochen, ob sie die verletzte Ehre des Einen durch eine Geste des Anderen nicht ausgleichen könnten und das ist ja eigentlich eine Art Mediation. Und es ging außerhalb des Gerichtszweiges. Deshalb mochte der Staat Duelle auch nicht. Deshalb waren Duelle oft auch verboten. Aber es führte in der Großzahl der Fälle dazu, dass das Duell unterblieb. Insofern gab es eine Art Mediation im Vorfeld.

Was ist das Besondere an Ihrem - ich will es mal Geschichtsbilderbuch - nennen? 

Das Besondere ist die Verbindung von historischen, kunstgeschichtlichen, juristischen und politischen Elementen betreffend verschiedene Seegrundstücke in Potsdam. Dabei beleuchte ich die Geschichte Deutschlands. Diese wechselvolle Geschichte kann man dort konkret erfahren und begreifen. Ich wollte auch das umfangreiche Wissen, das sich bei mir im Laufe von 20 Jahren anwaltlicher Begleitung angesammelt hatte, nicht verfallen lassen. Denn die Geschichten, die sich bis heute in diesen Häusern und auf diesen Grundstücken abspielen, sind repräsentativ für die Geschichte Deutschlands. Das sollten die Leute wissen, wenn sie an den Villen vorbeigehen. Es gibt wenige Orte, an denen man sich deutsche Geschichte besser vorstellen kann als an den „Villen am Griebnitzsee“.

Herr Dr. Partsch, ich bedanke mich für das sehr informative und interessante Gespräch.

Dr. Christoph Partsch, Rechtsanwalt und Kunsthistoriker

Das Interview führte Marion Uhrig-Lammersen, Wirtschaftsmediatorin und Repräsentantin Berlin der Deutschen Stiftung Mediation.