Im Gespräch mit Prof. Dr. Reinhard Greger zur Rechtsverordnung „zertifizierter Mediator“

Dr. Reinhard Greger war von 1975 bis 1996 im bayerischen Justizdienst sowie als Richter am Bundesgerichtshof tätig. Anschließend hatte er bis zur Versetzung in den Ruhestand im Jahre 2011 den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und freiwillige Gerichtsbarkeit an der Universität Erlangen-Nürnberg inne.

Herr Professor Dr. Greger, wie sehen Sie den Stellenwert der Mediation in Deutschland?

Die Mediation hat es nach wie vor schwer, sich den ihr gebührenden Platz in unserer Konfliktkultur zu verschaffen. Dazu trägt neben der Resistenz überkommener Verhaltensmuster auch die Gesetzgebung bei, die es entgegen dem Titel des Gesetzes von 2012 an einer wirksamen „Förderung“ der Mediation völlig hat fehlen lassen

Die Rechtsverordnung zur Einführung des „zertifizierten Mediators“ wurde am 31.8. verkündet. Warum jetzt, 4 Jahre nach Inkrafttreten des Mediationsgesetzes und ein Jahr vor dessen Evaluierung?

Dass es so lange gedauert hat, liegt wohl an der Problematik der gesetzlichen Grundlage, die der Verordnungsgeber ja nur ausfüllen kann. Möglicherweise hat man im Justizministerium auf eine Nachbesserung des Gesetzes im Rahmen seiner Evaluierung gehofft. Der politische Druck ist dann aber wohl zu groß geworden, insbesondere nachdem der Bundestag ins Verbraucherstreitbeilegungsgesetz hineingeschrieben hat, dass nur Volljuristen und zertifizierte Mediatoren Streitmittler sein können.

Warum soll die Verordnung erst in einem Jahr in Kraft treten, das ist ja im Kontext des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes faktisch ein einjähriges Berufsverbot für die Mediatoren.

Die Regelung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz verstößt meines Erachtens gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit – ob mit oder ohne Verordnung. „Zertifizierter Mediator“ ist ja kein rechtlicher Status, der durch einen Ernennungsakt erlangt wird, sondern eine Bezeichnung, die sich der Mediator selbst beilegen darf. Davon kann man nicht den Zugang zum Beruf des Streitmittlers abhängig machen

Liegt darin, dass der „zertifizierte“ Mediator gar nicht zertifiziert wird, nicht aus Verbrauchersicht eine Irreführung?

Auf jeden Fall. Wie auch der Bundesgerichtshof jüngst entschieden hat, vermittelt das Adjektiv „zertifiziert“ den Eindruck, dass die von dem Betreffenden angebotene Dienstleistung im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens überprüft worden ist. Dies ist beim „zertifizierten Mediator“ nicht der Fall. Wer eine 120-stündige Ausbildung und ein Supervisionsgespräch absolviert hat, darf sich zeitlich unbegrenzt so bezeichnen, unabhängig davon, wie viel Kompetenz er oder sie durch Fortbildung und praktische Erfahrung erlangt hat. Diesbezügliche Vorgaben in der Verordnung stehen nur auf dem Papier, denn das Gesetz verlangt keine Kontrolle durch eine Zertifizierungsstelle. Dadurch geht nicht nur jede Markttransparenz verloren, sondern es wird auch den wirklich qualifizierten Mediatoren unmöglich gemacht, sich zu profilieren. Sie gehen unter im Meer der selbsternannten „Zertifizierten“.

Nächstes Jahr kommt das Mediationsgesetz auf den Prüfstand, die Evaluierung im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsauftrages läuft: hat diese Verordnung Bestand?

Die Evaluierung allein wird nichts bewirken können. Nötig wäre, dass die Fachwelt die Untragbarkeit des sich abzeichnenden Rechtszustands aufzeigt und darauf dringt, dass der Gesetzgeber eine Zertifizierung einführt, die diesen Namen verdient.

Gibt es noch etwas, das Sie unseren Lesern noch mitteilen möchten?

Der Gesetzgeber hat mit dem Mediationsgesetz einen ersten Schritt zur Etablierung der Mediation in unserer Rechtsordnung getan. Er hat hierbei ganz bewusst noch sehr zurückhaltend agiert und auch durch den Evaluierungsauftrag gezeigt, dass er es für nötig hält, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten. Es besteht daher Hoffnung, dass es – ungeachtet des Missgriffs bei der Zertifizierung – doch noch zu einer wirksamen Förderung der Mediation kommt. Darauf sollten Wissenschaft, Praxis und Verbände mit Nachdruck hinwirken.

Herr Prof. Dr. Greger, wir danken Ihnen für das Gespräch.

(das Gespräch führte unser Vorstandsvorsitzender Viktor Müller)