Mediation in Deutschland und in der Welt: ein Gespräch mit dem Vorstand der Deutschen Stiftung Mediation

Welche Bedeutung hatte das Thema Mediation 2015 aus Ihrer Sicht für unsere Gesellschaft?

Viktor Müller

Aus meiner Sicht ist Mediation ein sehr wichtiges Thema in unserer Gesellschaft gewesen. Dies obwohl die Gesellschaft im Allgemeinen noch nicht erkannt hat, wie wichtig Mediation für uns alle ist. Denn das Thema Mediation umfasst ja nicht primär das Verfahren selbst, sondern es geht um das Thema Streitkultur, besser noch eine Veränderung derselben, sprich eine Verbesserung des Miteinanders. Und das betrifft uns alle. Nur leider ist das Thema noch immer nicht wirklich in der Gesellschaft angekommen.

 

Wie sehen sie Mediation in Deutschland im internationalen Vergleich?

Viktor Müller

Im internationalen Vergleich bin ich der Meinung, dass Deutschland ein Entwicklungsland in dieser Hinsicht ist! In Österreich ist man schon weiter. Wenn man das Beispiel England betrachtet, da ist man einen anderen Weg gegangen. Dort wurde in verschiedenen Bereichen eine verpflichtende Mediation eingeführt, die einer Klage vorausgehen muss. Wenn man sich nicht daran hält, kann der Richter im späteren Verfahren als Sanktion die Kosten auferlegen, selbst wenn die Partei obsiegt. Mit der Begründung: "Sie haben das Gericht umsonst beschäftigt, denn hätten Sie Mediation in Anspruch genommen, hätte man die Prozesskosten sparen können.“ Dazu konnte sich der deutsche Gesetzgeber noch nicht entscheiden.

 

Was meinen Sie, wird Mediation in Deutschland in 20 Jahren (2035) erreicht haben?

Viktor Müller

Dann bin ich 85 [er lacht], aber das macht ja nichts. Ich bin der festen Überzeugung, dass Mediation eine ganz große Zukunft hat. Das wird vielleicht noch 1, 2 oder 3 Jahre dauern, bis der richtige Kick beginnt und unsere Mitmenschen verstanden haben, welche Vorteile das Verfahren hat und vor allem wie der Umgang mit einander dadurch verbessert wird.

Denken Sie an innerbetriebliche Mediation im deutschen Mittelstand. Das ist heute ein weißer Fleck in der Mediationslandschaft. Da gibt es wahnsinnig viel zu tun, denn es können sehr viele Kosten gespart werden. Hier kann etwas für die Gesundheit der Mitarbeiter getan werden, für ihre Weiterbildung, ja sogar für die Gewinnung neuer Mitarbeiter. Denn ich denke, dass potentielle Mitarbeiter sich künftig anschauen werden, wie sich ein Unternehmen im Konfliktfall verhält. Läuft es immer noch nach der alten Lesart, der Chef hat Recht oder besteht im Unternehmen eine Kultur der mediativen Konfliktbewältigung.

Also ja, ich sehe, dass im Jahr 2035, Mediation ein etabliertes Verfahren und ein Teil der Deutschen Rechtskultur sein wird und so selbstverständlich angenommen wird, wie viele anderen Dienstleistungen auch, die sich den eigenen Weg erst in die Gesellschaft bahnen mussten.

 

Wie unterscheidet sich die Mediation von anderen Konfliktlösungs­methoden?

Hartwig Taege

Mediation unterscheidet sich ganz wesentlich von anderen Konfliktlösungsmethoden, weil sie das einzige Verfahren ist, in dem die beiden Konfliktparteien ihren Konflikt behalten und selbstständig lösen

 

Bleibt Mediation für sie auch im nächsten Jahr ein guter Weg zur Einigung?

Hartwig Taege

Ja, das bleibt definitiv im nächsten Jahr so. Denn auf der einer Seite beinhaltet Mediation zwar eine Herausforderung, da ich mich dabei persönlich vertreten muss, aber darin liegt auch der Vorteil, dass ich in diesem Verfahren den Weg mitbestimme. Das bedeutet, ich bin mit meiner ganzen Persönlichkeit involviert.

 

Existierten besondere Rahmenbedingungen aus diesem Jahr, die für die weitere Entwicklung der Mediation in Zukunft relevant waren?

Robert Glunz

Vielleicht kann man in diesem Zusammenhang die Herausforderung, der sich Deutschland durch die Aufnahme der vielen Flüchtlinge stellen muss, nennen. Behörden und insbesondere die vielen ehrenamtlichen Helfer werden bei ihrer Arbeit natürlich auch mit anderen Kulturen – also auch anderen „Streitkulturen“ – konfrontiert. Dies wird in Unterkünften, Schulen, Arbeitsstätten und Behörden der Fall sein. Ich bin davon überzeugt, dass das Mediationsverfahren, und die Anwendung von Mediationskompetenz eine große Hilfe sein können. Hier ist sicher die Initiative „Grünes Netz der Mediation“ ein vielversprechendes Konzept. Das alles trägt – ganz im Sinne unseres Stiftungszwecks – zur Verbreitung und Anerkennung der Mediation bei.

Eine weitere Rahmenbedingung ist die Tatsache, dass das Bundesjustizministerium eine Studie zur Evaluierung des Mediationsgesetzes ausgeschrieben hat. Auch hierdurch kann – insbesondere wenn die Ergebnisse der Studie vorliegen – wieder ein gewisser Drive für die Mediation entstehen. Immerhin rückt das Thema wieder mehr in den politischen Blickpunkt.

 

Wie meinen Sie, könnte die Initiative Günes Netz, Mediation und dessen Nutzung unterstützen? Oder allgemein wie Mediationsmethoden den Umgang mit Flüchtlinge helfen könnte?

Robert Glunz

Wir können als Stiftung – unserem Stiftungszweck folgend – keine Mediationen und Mediationsausbildungen durchführen. Insofern ist unsere aktive Beteiligung eingeschränkt. Was wir aber machen können, ist die Initiative selbst bekannt zu machen. Wir weisen im Rahmen unseres WEB-Auftritts und in unseren Newslettern auf das Grüne Netz hin und hoffen damit einen Beitrag für dessen Sichtbarkeit zu leisten. Darüber hinaus bleibt es unseren ehrenamtlichen Mitarbeitern natürlich vorbehalten, sich in dieser Initiative ebenfalls zu engagieren.

 

Welcher Nutzen würde ein neuer Firmen Sponsor aus der Deutschen Stiftung Mediation ziehen? Warum sollten sie sich dort engagieren?

Robert Glunz

Wir planen mit der Stiftung in 2016 ein wissenschaftliches Forschungsprojekt aufzusetzen. Wir wollen untersuchen, warum Mediation immer noch nicht so angenommen wird, wie es wünschenswert wäre. Am Bekanntheits- bzw. Informationsgrad allein kann es nicht liegen. Wir würden diese Fragestellung gerne interdisziplinär angehen, das heißt, es sollen sich Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (z.B. Rechtswissenschaft, Psychologie, Soziologie, Kulturwissenschaft). Erste Vorüberlegungen und Treffen haben in 2015 bereits stattgefunden.

Die finanziellen Mittel, die man für so ein anspruchsvolles Projekt benötigt, sind nicht zu unterschätzen. Deshalb würden wir uns über Sponsoren, die im Rahmen ihrer CSR einen Beitrag leisten wollen, sehr freuen. Im Gegenzug würde ein Sponsor natürlich ein entsprechendes Marketing z.B. in unserem WEB-Auftritt, in unseren Newslettern, bei Ausstellungen und Kongressen zu diesem Projekt erfahren. Eine weitergehende Zusammenarbeit z.B. im Zusammenhang mit der Herausgabe der Projektergebnisse wäre ggf. zu vereinbaren.

 

Was steht für die Stiftung Mediation 2016 an?

Viktor Müller

Wir haben eine ganze Reihe von Projekten, woraus ich zwei besonders hervorheben möchte:

Ganz vorne steht das Thema unseres Wissenschaftsprojektes, wie von Robert Glunz gerade erklärt, das auch ganz bewusst im zeitlichen Zusammenhang mit der Evaluierung des Mediationsgesetztes steht. Davon verspreche ich mir für die Stiftungsarbeit, und die Zukunft der Mediation sehr viel. Aber ich sehe auch Impulse für die Politik. Wenn es Anfang 2017 darum geht, das Mediationsgesetzt vielleicht doch hier oder da anzupassen bzw. zu ergänzen oder zu verbessern. Ich will sagen, dass das "Gesetz zur Förderung der Mediation" dann auch dazu beiträgt. Denn bis jetzt steht da nichts drin, was Mediation fördern könnte. Das ist für unsere Stiftung ein zentraler Schwerpunkt unserer Arbeit 2016.

Das zweite Thema hat ein Stückweit damit zu tun. Wir werden nächstes Jahr genau fünf Jahre als Stiftung aktiv sein. Wir haben uns bei der Gründung eine Vision gegeben. Die Vision lautete, dass „in 5 Jahren, das erreicht ist, was wir zuvor diskutiert haben, nämlich dass Mediation ein etabliertes Verfahren ist.“ Wir werden uns wie jedes Jahr im Lenkungskreis mit allen Führungsbereichen in der Stiftung in einer Strategie-Sitzung treffen, um das Thema noch einmal unter die Lupe zu nehmen, und gemeinsam erarbeiten, was man daran verbessern muss.

 

Gibt es weitere Aspekte, die Ihrer Meinung nach in Bezug auf Mediation wichtig sind?

Hartwig Taege

Ich glaube, dass es bei einer Mediation sehr wichtig ist, einen kompetenten Mediator zu haben. Der oder die muss fähig und in der Lage sein, sich soweit zurück zu nehmen, dass die beiden Konfliktparteien genug Raum haben, um sich mit ihrem Konflikt auseinanderzusetzen. Aber gleichzeitig muss eine Mediatorin oder ein Mediator so viel Struktur und Rahmen anbieten, dass es den Parteien überhaupt möglich ist, sich ihrem Thema gründlich und gemeinsam zu widmen.

 

Möchten Sie unseren Lesern noch etwas mitteilen?

Hartwig Taege 

Ich würde mir wünschen, dass viele in vielleicht noch nicht hoch eskalierten Konflikten Mediation einfach mal ausprobieren. Sie werden feststellen, dass sie leichter anzuwenden ist, als das was die Menschen vielleicht in den eigenen Vorstellungen haben. So kann Mediation selber zeigen, dass sie tatsächlich ein guter Weg zur Einigung ist, in dem die individuellen Ziele und Wünsche erreicht werden.

Robert Glunz

Für das Jahr 2016 wünsche ich mir natürlich, dass wir in dem geplanten Forschungsprojekt gut voran kommen und erste wichtige Erkenntnisse über Gründe für den  immer noch bedauerlichen Nachfragemangel nach Mediation erhalten. Ich hoffe, dass wir viele Partner finden, die uns in dabei unterstützen. Des Weiteren wünsche ich mir, dass sich unsere vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter genauso großartig engagieren wie das in unseren ersten Stiftungsjahren der Fall war.

Viktor Müller

An dieser Stelle möchte ich einen großen Dank an alle engagierten Sponsoren, ehrenamtliche Mitarbeiter der Stiftung und/oder Mitglieder im Förderverein aussprechen. Natürlich besteht die Bitte uns weiterhin zu unterstützen, damit unsere Gesellschaft durch die Verwirklichung unserer Stiftungsvision besser funktioniert.