Dr. Markus Troja studierte Politikwissenschaft, Wirtschaftspolitik, Kommunikationswissenschaft und Germanistik an der Universität Münster und promovierte an der Universität Oldenburg zu Verhandlungsverfahren bei Umweltkonflikten.
Die Mediationsausbildung absolvierte er am Institute for Environmental Negotiation, University of Virginia sowie am Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Oldenburg. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Mediation im öffentlichen Bereich (Umwelt, Bau, Planung; Erneuerbare Energien) sowie in der Wirtschaftsmediation (Teamkonflikte, hierarchieübergreifende Konflikte, Gesellschafterauseinandersetzungen). Dr. Markus Troja ist Herausgeber der Zeitschrift „Konfliktdynamik – Verhandeln, Vermitteln und Führen in Organisationen“.
Gibt es nach Ihrer Meinung markante Meilensteine in der Entwicklung der Mediation?
Ich kann für die Entwicklung in der Praxis nicht erkennen, dass bestimmte „Meilensteine“ wie das Mediationsgesetz, Verbandsgründungen oder Ähnliches ausschlaggebend waren. Vielmehr erlebe ich eine eher langsam, aber kontinuierlich steigende Nachfrage nach Mediation. In zwei Bereichen ist das in unserer Praxis gerade in den letzten 10 Jahren deutlich spürbar und ich glaube auch, dass die steigenden Fallzahlen in diesen Bereichen im Evaluationsbericht zum Mediationsgesetz nicht richtig erfasst sind oder erfasst werden konnten. Das sind zum einen Gesellschafterkonflikte, z. B. in Kanzleien, Gemeinschaftspraxen und den unterschiedlichsten Unternehmen. Gesellschafter fragen Mediation häufig dann nach, wenn ihnen das von Vertrauenspersonen empfohlen wird, z. B. von ihren Steuerberatern, Anwälten oder Berufskollegen, die selbst schon Erfahrungen damit gesammelt haben. Hier wirken sich auch Mediationsausbildungen aus, weil viele der Teilnehmer(innen) ihren Mandanten oder Bekannten Mediation in geeigneten Fällen empfehlen. Der zweite Bereich sind innerbetriebliche Konflikte. Hier spielen die Personal- und manchmal auch Rechtsabteilungen eine wichtige Rolle, für die Mediation mittlerweile eine bekannte Interventionsmöglichkeit ist, die sie Führungskräften bei innerbetrieblichen Konflikten empfehlen. Wenn man von Meilensteinen sprechen möchte, spielt für die Mediation in größeren Unternehmen der Round Table Mediation und Konfliktmanagement der Deutschen Wirtschaft vielleicht die wichtigste Rolle. Der Erfahrungsaustausch zwischen renommierten Unternehmen zu diesem Thema zeigt den Nachfragern, dass Mediation einer von mehreren wichtigen und seriösen Ansätzen zur Regelung innerbetrieblicher Konflikte ist.
Wie unterscheidet sich die Mediation von anderen Konfliktlösungsmethoden?
Das Besondere an der Mediation ist aus meiner Sicht, dass sie als Verfahren im Spektrum möglicher Ansätze bei Konflikten in vielerlei Hinsicht eine Art mittlere Position einnimmt. Die zwischenmenschlichen und emotionalen Aspekte eines Konfliktes gehören in der Mediation ganz klar dazu und werden gezielt bearbeitet. Gleichzeitig bleibt der Bezugspunkt immer ein konkreter Regelungsbedarf. Das ist das eigentliche Potenzial von Mediation, finde ich: Das Verfahren führt systematisch zu verbindlichen Vereinbarungen zur Lösung von Konflikten auf der Sachebene, UND es geht auf die emotionalen und interpersonellen Dynamiken ein und verändert die destruktiven Kommunikationsmuster. Deswegen erfordert Mediation im Kern immer ein interdisziplinäres oder sogar transdisziplinäres Vorgehen. Genau das macht Mediation für mich persönlich auch zu einem Ansatz, mit dem ich mich wohlfühle. Es ist dieser „mittlere Weg“ der Entscheidungsfindung, bei dem ich durch Dialog die zwischenmenschlichen und gruppendynamischen Aspekte klären kann und durch Verhandlung helfen kann, Vereinbarungen für die fachlich-sachlichen Probleme zu entwickeln.
Welche Faktoren sind Ihrer Meinung besonders entscheidend, damit eine Mediation erfolgreich wird?
Der Erfolg hängt vor allem von einer professionellen Auftragsgestaltung ab. Erfolg bemisst sich ja danach, ob die Erwartungen erfüllt werden. Daher ist es wichtig, im Vorfeld realistische Erwartungen an ein Mediationsverfahren zu klären. Sehr oft hängt der Erfolg auch davon ab, ob es gelingt, die richtigen Akteure mit entsprechender Bedeutung für einen Konflikt und seine Lösung in das Mediationsverfahren einzubeziehen. Für beide Aspekte spielt im betrieblichen Bereich das Vorgespräch mit der zuständigen Führungsebene eine zentrale Rolle. Im öffentlichen Raum geht es um die Einbindung des Verfahrens in die Entscheidungsroutinen von Politik und Verwaltung, die Vorgespräche mit Interessensgruppen zur Konfliktanalyse und zur Zusammensetzung des Teilnehmerkreises. Manchmal steige ich mit dem Initiator bzw. Anfrager intensiv in die Konfliktberatung ein, sodass ich mitunter selbst gar nicht mehr als neutraler Mediator in Frage komme. Trotzdem kann ich dann Mediation als Verfahren empfehlen und bei der Vorbereitung helfen. Mitunter zeigt sich aber auch, dass ein anderes Vorgehen sinnvoller ist, z. B. mit eigenen Möglichkeiten der Parteien ohne externen Mediator oder mit Hilfe eines Coachings oder einer fachlichen Beratung.
Wenn Mediation ein erfolgversprechender Weg ist, dann braucht es nach meiner Erfahrung oft Beharrlichkeit und Geduld – nicht nur auf Seiten der Parteien, sondern vor allem auf Seiten des Mediators, weil er sonst schnell in die Rolle des Beraters, Schlichters oder Schiedsrichters rutscht und zu sehr in Richtung einer bestimmten Lösung drängt. Außerdem kann ich als Mediator nur erfolgreich sein – das gilt jedenfalls für mich – wenn ich mich ehrlich für die Konfliktparteien und ihre Belange interessiere. Ich muss selbst ein interessiertes Wohlwollen gegenüber den Konfliktbeteiligten, ihren Rollen und Problemen entwickeln, dann entsteht nach meinem Eindruck auch das nötige Vertrauen, um den Prozess gut zu steuern.
Und schließlich hilft natürlich auch eine gewisse methodische Flexibilität; so kann ich besser mit unterschiedlichen Personen, Konstellationen und Themen umgehen.
Gibt es besondere Erlebnisse aus Ihrer Praxis?
In fast jedem Fall gibt es besondere Erlebnisse; da wüsste ich gar nicht, mit welchen Anekdoten ich anfangen und aufhören sollte. Oft haben die Erlebnisse, die mir in Erinnerung bleiben, aber etwas gemeinsam. Mediation wirkt mitunter wie ein Katalysator, der Veränderungs- und Entscheidungsprozesse enorm beschleunigt, manchmal beängstigend stark. Immer wieder kommt es vor, dass der Ausgangspunkt für eine Mediation die Idee ist, die seit langem schwierige Zusammenarbeit wieder zu verbessern. Und plötzlich ist nach zwei oder drei Gesprächen klar, dass sich die Beteiligten trennen. Ein solches Ende kann erst einmal erschrecken, und ich versuche auch dabei zu unterstützen, die Entscheidung gut abzuwägen. Meist sind die Betroffenen im Nachhinein aber erleichtert und froh darüber, sich den weiteren Schrecken ohne Ende erspart zu haben. Auch das Gegenteil kommt immer wieder vor. Eine Blockade löst sich und plötzlich verändert sich die gesamte festgefahrene Situation. Ein Beispiel: Vor einigen Wochen hatte ich zwei Ehepaare in der Mediation, bei denen es um die Unternehmensnachfolge ging. Eigentlich sollte das jüngere Ehepaar das Unternehmen übernehmen. Der Ehemann arbeitete seit langem als Angestellter mit und leitete die größte Abteilung im Betrieb. Die Frau war mittlerweile auch angestellt. Aber seit zwei, drei Jahren wurden beide Seiten immer unzufriedener und die Kommunikation lief gar nicht mehr gut. Wir hatten nur eine Sitzung und einige Zeit später ein Folgetreffen, in dem die vier erzählten, wie alles läuft. In der einen Sitzung zeigte sich, dass die Nachfolger immer unsicherer waren, ob das Senior-Ehepaar ihnen überhaupt noch zutraut, das Unternehmen zu führen. Das führte dazu, dass sie weniger Fragen stellten, um keine Unsicherheit zu zeigen, und immer zurückhaltender bei Entscheidungen wurden. Das Gründerehepaar hatte den Eindruck, dass die Jüngeren vielleicht gar nicht wirklich die Nachfolge wollten und sie ihnen ihre Erwartungen zu sehr überstülpten. Die Unternehmensgründer schwankten zwischen Ärger über die fehlende Initiative bei den Jüngeren und Frust aufgrund der fehlenden Entlastung – ein klassischer Teufelskreis. In der Mediationssitzung sagte das jüngere Ehepaar auf Nachfrage, dass es sich nichts mehr wünsche, als das Unternehmen weiterzuführen. Und die Gründer konnten sagten, dass sie sich niemanden vorstellen konnten, der kompetenter wäre und besser passen würde. Nach zwei Stunden war ein Knoten gelöst, der sich seit Monaten immer fester zugezogen hatte. Dafür musste ich kein großes Kunstwerk vollbringen. Es reichte, nach den Sorgen, Empfindungen und Wünschen zu fragen. Es war klar, dass es in einer Mediation um ein ganzheitlicheres Betrachten des Themas mit seinen betriebswirtschaftlichen UND emotionalen Aspekten ging. Alle rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Punkte wurden dann zwischen den beiden Mediationstreffen mit den Beratern geregelt.
Allein die Kommunikationssituation an sich, das gemeinsame, moderierte Gespräch wirkt also oft wie ein Katalysator für die Entscheidungsfindung.
Sie sind Herausgeber der Zeitschrift „Konfliktdynamik“; welche Zielgruppe sprechen Sie mit Ihrer Zeitschrift insbesondere an?
Wir sprechen Personen an, die mit Konflikten in Organisationen professionell zu tun haben. Das sind Personaler(innen), Führungskräfte, Unternehmensjuristen in Organisationen und externe Mediator(innen), Coaches und Berater(innen). Unsere Leser(innen) wollen ihre Arbeit reflektieren und sind dafür auch an theoretischem Hintergrund und empirischen Erkenntnissen im Bereich des Konfliktmanagements interessiert. Der Brückenschlag zwischen Forschung und Praxis ist nicht einfach. Manchmal beschreiben Praktiker(innen) einfach individuelle Erfahrungen, ohne dass deutlich wird, welche konzeptionellen oder grundsätzlichen Erkenntnisse daraus ableitbar sind. Andererseits betreiben wissenschaftliche Autor(innen) mitunter viel theoretischen oder methodischen Aufwand für Ergebnisse, die in der Praxis sowieso klar oder ohne großen Nutzen sind. Beide Seiten immer wieder füreinander anschlussfähig zu machen, das ist unser Ziel. Das macht den Reviewprozess, den die Beiträge durchlaufen, manchmal sehr arbeitsintensiv. Nicht immer, aber immer wieder gelingt uns dieser Brückenschlag – so mein Eindruck. Und das macht den qualitativen Unterschied aus.
Herr Dr. Troja, wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch.
Das Interview führte Robert Glunz.