Anwendungsgebiete/Praxisfälle

Beispiel für einen Nachbarschaftskonflikt

Wie es zur Mediation kam: Frau X hat die Nase voll: Der Nachbar in der Wohnung über ihr, Herr Y, scheint einfach keinen Respekt vor ihr zu haben – zigmal hat sie ihn schon darauf hingewiesen, dass er abends seine Musik in Zimmerlautstärke hören soll! Frau X hat bereits andere Nachbarn um Unterstützung gebeten, aber nichts scheint zu wirken. Mittlerweile gehen beide Nachbarn sich aus dem Weg und ärgern sich im Heimlichen. Frau X hat schon darüber nachgedacht, sich einen Anwalt zu nehmen, aber als Arbeitslosengeld-II-Empfängerin müsste sie Prozesskostenhilfe beantragen…ganz schön aufwändig…

Vor kurzem hat ihr ein Bekannter empfohlen, sich doch an die Deutsche Stiftung Mediation zu wenden, denn die Stiftung übernimmt in einem Pilotprojekt in München und Nürnberg für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln die Kosten für Streitbeilegung – ganz ohne Gerichtsprozess. Etwas skeptisch ist sie ja schon, aber sie überwindet sich und ruft gleich mal dort an. 

Bei der Stiftung werden ihr die Details erklärt und ihr wird ein Konfliktlotse für das Organisatorische zur Seite gestellt. Der Konfliktlotse, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Stiftung, informiert auch Herrn Y unverbindlich über die Möglichkeit einer Mediation. Schließlich stimmen Frau X und Herr Y zu, eine Mediation auszuprobieren, sofern sie sich auf eine Mediatorin einigen können, was ihnen auch gelingt. 

In der Mediation hört Frau X erstmalig, dass Herr Y seinen Arbeitsalltag als sehr stressig erlebe und viele Überstunden machen müsse. Danach wolle er oft einfach nur seine Ruhe, Musik hören und habe keine Energie mehr für Diskussionen mit der Nachbarin, die ihn schon im ganzen Haus anschwärze. Frau X hingegen berichtet sich in dem Streit ziemlich unterlegen zu fühlen. Sie habe einfach keine andere Möglichkeit gesehen, sich Gehör zu verschaffen als die Nachbarn einzubeziehen. Zudem leide sie sehr unter ihrer derzeitigen Arbeitslosigkeit. 

Was hat in diesem Konflikt die Wendung gebracht? Frau X und Herr Y haben in der Mediation ausgesprochen, wie belastend sie ihren jeweiligen Alltag empfinden. Dadurch haben sie die Perspektive des Gegenübers kennengelernt und verstehen nun, wieso der andere so reagiert hat. Sie haben sich schließlich darauf geeinigt, Wertschätzung für die recht unterschiedliche, aber für beide doch beanspruchende Lebenssituation zu zeigen, indem sie sich freundlich grüßen. Wenn es etwas anzusprechen gibt, werden sie sich zu einem Gespräch verabreden, zu einem Zeitpunkt, der für beide passt. 

Gut zu wissen: Nach der Mediation hat – wie zu Beginn vereinbart – Herr Y übrigens seinen Teil der Mediationskosten selbst bezahlt (200€). Frau X‘ Kostenanteil (ebenfalls 200 €) hat die Mediatorin direkt mit der Stiftung abgerechnet. Näheres zur Mediationskostenhilfe finden Sie unter Fachreferat Kostenhilfe

Zum Schutz der Vertraulichkeit ist dieser Fall anonymisiert. Der Stiftung liegt der Name des Einsenders m/w/d vor.

Beispiel für einen Konflikt in einer Familie (Familienmediation)

Eine ältere, schwerhörige Dame vergisst bei einer Autofahrt nach dem Abbiegen den rechten Blinker zurückzustellen, prompt kommt es an der nächsten Kreuzung zu einem Zusammenstoß, zum Glück nur mit leichtem Blechschaden. Das nahmen die Familienangehörigen zum Anlass, aufgrund der schon länger beobachteten unsicheren Fahrweise der Verwandten diese zu einer Rückgabe ihres Führerscheines und Verkauf des Autos zu bewegen. Das lehnte die Dame schroff ab, der Konflikt wurde evident. Ein neutraler Dritte nahm sich des Falles an. Die Mediation führte zu folgender Lösung:

Die Dame gibt den Autoschlüssel an Familienangehörige ab und wird künftig von diesen in ihrem Auto chauffiert. Die Dame kann ihren Führerschein und ihr Auto behalten. Es wurde ein klassischer Interessenausgleich erzielt.

Zum Schutz der Vertraulichkeit ist dieser Fall anonymisiert. Der Stiftung liegt der Name des Einsenders m/w/d vor.